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Thesen zum Vortrag "Der optimierte Mensch"

Prof. Dr. Wolfgang Frühwald (LMU München)

1. Der Roboter hat Konjunktur. Überall begegnen uns Maschinen, die mit uns sprechen und (oft) nicht so wollen, wie wir es wollen. Er - der Roboter - stellt uns Fragen und wir haben sie zu beantworten. So fragt uns der Automat, an dem wir unsere Fahrkarten lösen, der PC, an dem wir unsere Manuskripte schreiben, das Mobiltelefon, mit dem wir telefonieren, der Palm, auf dem unsere Adressen stehen und reagiert nur, soweit wir seine Fragen beantworten. Alles andere steht außerhalb seiner (und damit oft auch unserer) Möglichkeiten. Wenn irgendeines dieser Systeme zusammenbricht, versucht eine mehr oder weniger freundliche Dame in einem Call-Center (in Irland oder in Indien) uns durch die Fehlerreihe zu führen, bis sie und wir verzweifelt abbrechen und das ganze System durchs Fenster werfen. Vergnüglich sind die Robocup-Spiele (mit durchaus ernstem Hintergrund); der biomimetrische Computer (zum Beispiel die maschinelle Empfangsdame in einem japanischen Hotel) ist dann schon erschreckend; der Pausenroboter, den Lehrern die Aufsicht über die Schüler im Schulhof abnimmt, ist noch erschreckender, und die auf Plätzen und Straßen wie Pilze bei feuchtem Wetter wuchernden Überwachungskameras weisen in Richtung auf einen Überwachungsstaat, den wir doch soeben erst losgeworden sind?

2. All diese Maschinen - auch der Parallelcomputer, der jetzt serienmäßig die Schachgroßmeister beim Schachspiel besiegt - sind entstanden aus der uralten Sehnsucht des Menschen, knechtliche Arbeit an Maschinen zu delegieren. Zunächst die Muskelkraft durch Maschinen zu verstärken, dann die Rechengeschwindigkeit maschinell zu erhöhen und jetzt (mit Cyber-Handschuh oder Cyber-Suite) auch die Empfindungsfähigkeit und sogar die Phantasie so zu verstärken, dass keine bewusstseinserweiternde Droge diese Ekstasen erreicht. Die jetzt angedachten und im ersten Stadium erfolgreichen Biocomputer aber sind (anders als die biomimetrischen, als das Leben nur nachahmenden Computer) eine völlig neue Maschinen-Generation: sie verbinden lebende Zellen mit Chips und versuchen, nicht nur Hirnprothesen (z. B. für Schlaganfallpatienten) zu konstruieren, sondern selbst "denkende" und vielleicht sogar "empfindende" Maschinen zu bauen, die sich dann aus sich selbst heraus weiterentwickeln. Dadurch wird eine (künstliche) Spezies geschaffen, die dem Menschen und seiner leitenden Vernunft rasch entleiten könnte.

3. Kunst und Literatur sind - wie immer in der Geschichte der Menschheit - in Gedanken längst weiter als die Menscheningenieure, als die Konstrukteure der Neurocomputer und die Anhänger der Menschenklonierung. Kunst versucht (z. B. in den Entwürfen von Eduardo Kac) das Zusammenleben von genetisch nicht verändertem mit genetisch verändertem Leben, von denkenden Maschinen mit Menschen (im heutigen Zustand ihrer Bedürfnisse und ihres Könnens) zu denken. Literatur sagt (etwa im Romanwerk von Michel Houellebecq) für die überschaubare Zukunft die Mutation und die Degenerierung der jetzt lebenden menschlichen Spezies (warnend) voraus, sie spricht (im Werk von Hans Magnus Enzensberger) von einem im Labor in aller Öffentlichkeit vorbereiteten Putsch gegen die Menschheit.

4. Zusammen mit neurowissenschaftlichen Theorien, welche die Entscheidungsfreiheit des Menschen strikt leugnen, könnte sich aus solchen Tendenzen eine Situation ergeben, die tatsächlich der Vernunft entgleitet und Gefahren heraufbeschwört, die wir heute erst ahnen, die aber literarsch läünst beschrieben sind. Dem Begriff der Forschungsfreiheit also ist heue der Begriff der Verantwortung einzuschreiben, weil es dem Menschen ansteht, "die Unversehrtheit seiner Welt und seines Wesens gegen die Übergriffe seiner Macht zu bewahren" (Hans Jonas). Schließlich ist die Idee des Menschen - wie wir sie seit Beginn der Menschheitsgeschichte kennen - eine solche, dass sie die leibhafte Anwesenheit des Menschen in seiner Geschicht fordert. Alles andere - die sich ausbreitende denkende Maschine, die Erzeugung vom Menschen unabhängiger Intelligenz, die asexuelle Vermehrung (durch Klonierung) etc. - widerspricht den fundamentalen Gesetzen dessen, was heute noch unter menschlicher Würde und als menschlich überhaupt verstanden wird. Mit den gewachsenen Möglichkeiten menschlichen Könnens ist der Forschungsbegriff und der Verantwortungsbegriff verändert. Systematische Sicherheitsforschung könnte ein Gebiet werden, auf das wir bald angewiesen sind.


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